In diesem Blogbeitrag beschreibt der Autor Manuel Kugler die Hintergründe zu seinem Buch „Berufung finden“ und erklärt seine Sichtweise zum Thema Berufliche Neuorientierung und Selbstfindung.
1. Was hat Sie dazu inspiriert, das Buch „Berufung finden“ zu schreiben und warum ist dieses Thema so wichtig?
Neulich erhielt ich die E-Mail einer Leserin in der sie mir schrieb, dass sie mit über 60 Jahren nun ihre Berufung gefunden hat. Sie schrieb weiterhin, dass sie in der Telefonseelsorge tätig ist und jeden Tag mit Hilfesuchenden über deren Herausforderungen im Leben spricht. Die Leserin sagte, dass das, was die Menschen am meisten dazu verleite, sich bei der Seelsorge zu melden, das Fehlen eines Sinns im Leben ist.
Ich fand das sehr berührend und kann aus meiner Erfahrung sehr gut bestätigen, was meine Leserin und ihre Anrufer empfinden. Wir leben in einer Gesellschaft in der scheinbar alles möglich ist, aber werden dabei immer unglücklicher. Einen Ruf in sich zu spüren, sein Leben zu gestalten, anstatt den Programmen unterworfen zu sein, die das Standardlebenskonzept aus „Geburt – Schule – Ausbildung/Studium – Job – Rente – Tod“ abbilden, empfinde ich heute wichtiger denn je zuvor.
Letztlich geht es um die Freiheit und Selbstbestimmung, in einem kollektiven respektvollen Miteinander, in dem sich jede und jeder erfahren kann. Anstatt tagein tagaus das Selbe zu tun, weil es eben alle tun.
2. In Ihrem Buch sprechen Sie über die Suche nach Berufung weit über den Beruf hinaus. Was bedeutet das für Sie und wie können Menschen ihre Berufung außerhalb ihrer Karriere finden?
Ich möchte dazu gerne eine Frage stellen: Stellen Sie sich vor, Sie gingen zum Arzt und bekämen die Diagnose, dass Sie noch 6 Monate zu leben hätten. Würden Sie Ihr Leben genauso weiterleben wie bisher oder würden Sie etwas ganz anderes mit ihrer verbliebenen Lebenszeit anstellen?
Weshalb erlauben wir es uns nicht dem zu folgen, was uns wirklich von Herzen her erfüllt?
Wer sagt, dass man damit seinen Lebensunterhalt gestalten MUSS?
Und wer behauptet, dass dies NICHT möglich ist?
Gibt es die Möglichkeit, dass Beruf und Berufung sich nicht zwingend ergänzen müssen, aber dies im Idealfall tun, damit wir unsere Lebenszeit mit dem verbringen können, was uns wirkliche Freude bereitet?
Sind wir auf einer Party und werden gefragt: „Und, was machst du so?“ antworten die meisten Menschen in etwa damit: „Ich bin Bauingenieurin“. Wir identifizieren uns so sehr über unseren Beruf, dass wir vollkommen vergessen, dass der Beruf (nur) ein Teil unseres Lebens ist.
Aber eben nicht alles. Das soll nicht heißen, dass man den Beruf beiseite schieben sollte und sich stattdessen nur mit den Dingen neben dem Beruf beschäftigen sollte. Im Gegenteil: Findet man in sich einen Funken der stark genug ist, um wirkliche Veränderung zu ermöglichen, kommt der Herzensruf und der Beruf womöglich zusammen.
Es geht also nicht um eine Trennung zwischen Beruf und Privatleben – etwas, dass heute sowieso nicht mehr möglich ist. Sondern es geht darum, dass der Beruf ein wichtiges, vielleicht ein zentrales Thema in unserem Leben ist, aber es nichts wichtigeres im Leben gibt, als dem eigenen Ruf zu folgen.
Ich fand heraus, dass die größten Paradoxien im Leben meistens eine Schnittmenge besitzen. So erlebe ich es auch hier: Was wie ein Widerspruch klingt, ist in Wahrheit verbindend. Lassen Sie uns das Leben wieder aus einer ganzheitlicheren Weise betrachten.
3. Könnten Sie einige praktische Schritte oder Strategien teilen, die Menschen dabei unterstützen, ihre Berufung zu entdecken?
Alles, was zwischen uns und unserer Berufung steht, geschieht in den virtuellen Welten unserer eigenen (neurologischen) Programmierung. Es sind die Glaubenssätze und Überzeugungen, die wir von Kindheit an übernommen haben. Ich spreche hier gerne von einer inneren Glaubenswelt. Und diese innere Glaubenswelt – oder Überzeugungswelt – regelt nahezu unsere gesamten Lebensentscheidungen.
Sie entscheiden, wovon wir Angst haben. Was wir uns zutrauen und wovon wir „lieber die Finger lassen“. Also gilt es, sich mit den eigenen Überzeugungen, sprichwörtlich unserer Programmierung, auseinander zu setzen. Und genau das haben wir nie gelernt bzw. im Laufe unseres Lebens verlernt: Den Blick nach innen zu richten. Niemand weiß genau wie man dies anstellt, und der Weg ist für jeden Menschen individuell. Wenn Sie mich also nach konkreten Strategien & Tipps fragen, dann empfehle ich als erstes, die Bereitschaft zu haben, nach innen zu schauen. Und diese Überzeugungswelt zu betrachten.
Zweitens braucht es für diesen Prozess Ruhe und eine Auszeit aus dem alltäglichen Leben mit all seinen Verpflichtungen. Eine einsame Berghütte lässt grüßen. Und ich höre förmlich schon die Argumente, weshalb es nicht geht, sich eine Auszeit zu nehmen. Aber fragen Sie sich einmal wirklich, weswegen Sie sich scheinbar keine Auszeit nehmen können. Im Job meinen wir häufig unersetzlich zu sein. Die Gesetzmäßigkeiten der Wirtschaft besagen jedoch, dass selbst die oder der CEO im Unternehmen austauschbar ist. Und: Neben Ihrem Gehalt: Investiert Ihr Job IN SIE die gleiche Energie wie umgekehrt?
Und wenn Sie die familiären Verpflichtungen anführen – wer „nutzt“ Ihrer Familie mehr? Eine ausgelaugte Version von Ihnen, die vollkommen am Ende ist oder eine Version, die frisch und klar ist und weiß, was sie möchte? Deshalb ist der erste Punkt nicht zu ersetzen: Die Bereitschaft der Selbsterkenntnis und dafür etwas zu unternehmen. Selbst wenn es aus der viel zitierten Komfortzone herausführt.
Im Buch habe ich einen ausführlichen, 12-stufigen Prozess beschrieben, der auf den Erfahrungen Hunderter Klientensitzungen beruht. Dieser Prozess wirkt (Wunder) und dient als eine Art Anleitungen für den individuellen Weg. Er ist keinesfalls dogmatisch noch mag er einengen. Im Gegenteil: Er ist eine Freiheitserklärung für sich selbst und gibt doch Anregungen, wie man die Schritte gehen kann.
4. Welche Hindernisse und Ängste sehen Sie oft, wenn Menschen versuchen, ihre Berufung zu finden, und wie können sie diese überwinden?
Es sind meistens fremdgesteuerte Programme (Glaubenssätze und Überzeugungen) die ANGST machen. Angst davor, etwas an seinem Leben zu verändern. Angst davor, aus der Masse herauszutreten. Ja auch Angst vor seiner eigenen Größe. Alles hängt von der inneren Überzeugungswelt ab, die ich weiter oben bereits erwähnt habe. Obwohl jeder Mensch individuell ist, stelle ich doch immer wieder die eine Angst fest, die Menschen davon abhält, sich wirklich auf die Suche nach der eigenen Berufung zu begeben.
Es ist eine Kernangst bzw. ein Kernglaube. Vier Buchstaben reichen, um sie zu erklären: G E L D.
„Wäre doch das Geld nicht, dann wäre ich frei.“
„Müsste ich nicht den Kredit für das Haus abbezahlen, dann könnte ich…“
„Der Kugler redet sich leicht. Er hat ja nicht den Unterhalt/das Haus/das Auto etc. abzubezahlen.“
Richtig, hat er nicht, der Kugler. Und das aus gutem Grund…
Jedenfalls habe ich festgestellt, dass es zum Leben viel weniger Materielles braucht, als wir meinen. Und das bedeutet nicht, dass ich im Verzicht leben muss. Im Gegenteil: Wahre Fülle (auch materiell!) zeigt sich, wenn wir uns zu uns selbst bekennen. Uns zum Souverän erklären und nicht mehr als Bienen im System-Bienenstock arbeiten. Harte Worte? Vielleicht. Wenn Sie sie „triggern“ wissen Sie, dass Sie da hinsehen dürfen. Wenn wir die absurde Vorstellung (mehr ist das nicht) ablegen, dass wir unseren Lebensunterhalt nur mit einem festen Job bestreiten können, machen wir den ersten Schritt in die Selbstermächtigung. Es genügt für den Anfang sich solche Fragen wie diese zu stellen: Wie kann Geld auf anderen Wegen zu mir fließen? Was würde ich mit meinem Leben tun, wenn ich finanziell ausgesorgt hätte? Wie würde ich mich fühlen, nicht mehr für Geld arbeiten zu müssen?
Lassen Sie diese Fragen wirken. Sie lösen womöglich weitere Fragen und Erkenntnisse aus. Im Buch beziehe ich explizit Stellung zum „leidigen Thema Geld“ und es zeigt sich, dass das Thema gar nicht so leidig sein muss.
5. Wie können Menschen erkennen, ob sie bereits auf dem richtigen Weg sind, um ihre Berufung zu leben, oder ob sie noch nach ihr suchen müssen?
Ich glaube das spürt man sehr deutlich im Herzen. Alles, was einem tiefe Freude bereitet, ist nahe dran an der Berufung. Wir haben gelernt, dass das Leben anstrengend sein muss. Dass es nicht leicht sein darf, dass ich Anstrengung unternehmen muss, um meine Ziele zu erreichen.
Was, wenn das Gegenteil der Fall wäre? Was, wenn die Leichtigkeit ein Kompass ist, der immer funktioniert und mich wie ein Laserstrahl zu meiner Berufung führt?
Neulich schrieb eine Leserin eine Rezension in der sie genau das aufgriff. Sie schrieb sinngemäß: „Wie kann ich (also der Autor) nur so leichtfertig in die Welt setzen, dass man seiner Freude folgen solle? Das ginge doch nicht und ist vollkommen realitätsfremd.“
Ist es das? Realitätsfremd?
Und wenn ja, ist es eine Realität die Ihnen guttut? Diese Realität, in der man nicht der Freude seines Herzens folgen darf, um sich vollkommen zu erfahren? Das zu tun, was einem tiefste Freude bereitet – UND (jetzt halten Sie sich fest!) – auch noch den eigenen Lebensunterhalt damit verdienen?
Die Realität kennt nur die Grenzen, die wir ihr selbst setzen. Wie wäre es, wenn wir diese Grenzen (nur für einen Moment) einmal verschieben? Was, wenn wir uns erlauben, dass Freude unser Kompass sein darf und uns womöglich genau dort hin führt, wo wir tief im Herzen hinwollen? Was, wenn darüber hinaus auch noch eine Leichtigkeit zum Thema Geld einzieht, und wir uns wirklich nicht mehr darum sorgen müssten, unseren Lebensunterhalt zu bestreiten?
„Vollkommen absurd!“, ruft der Verstand. „Versuch es!“, flüstert das Herz.
6. Gibt es bestimmte Geschichten oder Erfahrungen von Menschen, die Sie in Ihrem Buch geteilt haben, die besonders inspirierend oder lehrreich sind?
Im letzten Teil des Buches war mir dies besonders wichtig: Geschichten von Menschen zu teilen, die ihrem Herzen folgen und damit ihren Lebensunterhalt bestreiten. Ich wollte, dass die Leserinnen und Leser des Buches, unabhängig meiner Worte, von „ganz normalen“ Menschen erfahren können, dass es möglich ist, seinem Herzen zu folgen. Es sind wunderbare Geschichten von ganz unterschiedlichen Charakteren – von Singels, Familien, Unternehmern – die alle eines eint: Der Wunsch nach ehrlicher und praktikabler Freiheit. Es kann sehr bereichernd sein, diese Geschichten zu studieren.
7. Wie können Menschen, die bereits in einer festgefahrenen Karriere oder Lebenssituation feststecken, die Prinzipien aus Ihrem Buch anwenden, um Veränderungen herbeizuführen?
In dem Sie das Buch lesen, wirken lassen und umsetzen :-). Das gesamte Werk ist für genau solche Menschen geschrieben. Ich befand mich selbst in einer festgefahrenen Situation, verdiente Unmengen an Konzerngeld und war dennoch innerlich so unglücklich, dass es näher am Tod als am Lebendigsein war. Insofern umfasst das Buch alles, was man braucht um sich zu öffnen:
Theorie, die inspiriert, konkrete Schritte (12-Stufen-Plan), Erfahrungsreisen jenseits des Verstandes und Erfahrungen von Menschen, die den Schritt wagten.
Doch eines muss ich klar dazusagen: Das Buch ist nichts für jemanden, der „nur“ nach einem Karriereratgeber sucht. Berufung ist für mich mehr als die Karriere: Es ist der Versuch eines freiheitlichen, selbstbestimmten und erfüllenden Lebenskonzeptes. Also lesen Sie das Buch am besten nur, wenn Sie wirklich bereit sind, ihr Leben tiefgreifend zum Besseren zu verändern.
8. Welche langfristigen Auswirkungen hoffen Sie, dass Ihr Buch auf Leser hat, die nach ihrer Berufung suchen und sich neu orientieren möchten?
Das ist eine sehr gute Frage und gibt mir die Möglichkeit noch einmal wirklich von Herzen zu sprechen. Ich wünsche mir für die Leser des Buches, dass sie dadurch den nächsten wichtigen Aspekt auf ihrer Reise zu sich selbst finden. Für Freiheit, Selbstbestimmung und ein wunderbares kollektives Miteinander, welches geprägt ist von Respekt, Wertschätzung und gegenseitiger Hilfe.