Interview mit „Bücherprinz“ Ruprecht Frieling: »Selbstbewusstsein entscheidet letztlich alles«

Wilhelm Ruprecht Frieling ist ein durch unkonventionelle Sachbücher und Reportage-Bände bekannter deutscher Autor und Verleger. Er gilt als Pionier und Ikone der Autoren-Szene.

Wie sind Sie zum Schreiben gekommen?

In meinem Schulzeugnis 3. Klasse steht eine Rüge: »Ruprecht schreibt heimlich unter der Bank Gedichte.« Ich hatte leidenschaftliche Verse für heißgeliebte Mitschülerinnen geschmiedet und wurde quasi automatisch später Gründer und Redakteur der Schülerzeitung »Utopia« am Gymnasium meiner Heimatstadt Oelde.

Das professionelle Schreiben hingegen habe ich erst nach Studium und Ausbildung zum Fotografen begonnen. Ich bemerkte, dass es in den Redaktionen, denen ich Bilder lieferte, gern gesehen war, wenn eine Bildunterschrift mitgeliefert wurde. Das habe ich als Chance erkannt und begonnen, Artikel anzubieten, mit denen die Redakteure keine Arbeit hatten. Daraus entwickelten sich komplette Zeitungsseiten und großformatige Reportagen für Magazine, die ich teilweise mit eigenen Aufnahmen illustrierte. Aus den Magazinverlagen wuchsen Buchverlage, die das hochwertige Material sammelten, um Bildbände und Sachbücher zu publizieren. Und ich hatte immer einen Fuß in der Tür.

Vom Fotografen wurde ich somit zum freien Mitarbeiter bei Tageszeitungen und lernte viel als Volontär, Redakteur, Lokalchef und schließlich Chefredakteur einer Publikumsillustrierten. Als Autor habe ich seitdem mehr als 40 Bücher geschrieben. Zwei davon wurden Bestseller mit einer Auflage von jeweils mehr als einer Million verkaufter Exemplare.

Der Sprung zum eigenen Verlag war nun nicht mehr weit, und so war ich anschließend zwanzig Jahre lang als Verleger tätig und betreute mehr als 10.000 Autoren. Im mittlerweile erreichten Unruhestand bin ich als Verlagsberater, Talentscout, Speaker und in eigener Sache als Autor aktiv.

Auf dieser Himmelsleiter bin ich zum Schreiben gekommen und in das mein Leben erfüllende Labyrinth der Bücher gelangt.

Was braucht man, um ein Buch zu schreiben und veröffentlichen?

Das hängt vom Genre ab. Im Sachbuchbereich sind entsprechende Kenntnisse und Vorstudien wichtig, um fundiert schreiben zu können. In der schöngeistigen Literatur, der Belletristik, braucht es hingegen Phantasie, Vorstellungskraft, einen Plan und die Fähigkeit, schriftlich zu erzählen.

In jedem Fall sind Ruhe, Konzentration und der starke Willen, die Arbeit auch sinnvoll zu beenden, essentiell. Das ist wahrscheinlich oft die höchste Hürde für Menschen, die eigentlich einen ganz anderen Brotberuf ausüben müssen und vielleicht noch eine Familie oder Kinder versorgen. Eine ausgeglichene Partnerschaft wird in dem Fall ganz besonders wichtig.

Welche Marketing-Tools sind Ihrer Meinung nach am effektivsten?

Man sollte sich über seine eigene Rolle als Autor ein klares Bild machen und konsequent an der Profilierung der eigenen Marke arbeiten. In meinem Ratgeber »Wie nutze ich ein Pseudonym richtig?« beschreibe ich, welche Bedeutung der eigenen Marke heutzutage zukommt. Das zählt zur Imagewerbung.

Um die eigene Marke ohne Reibungsverluste präsentieren zu können, bietet sich die eigene Homepage an, deren Rechte nicht bei Dritten liegen sollten. Ein regelmäßiger Newsletter erreicht Leser, Fans und Freunde und informiert über das, was den Autor derzeit umtreibt. Gleichzeitig ist er ein Verkaufskanal, der neue Bücher bewirbt. Dieses Instrument der Produktwerbung kann hoch effektiv sein.

Social-Media-Kanäle sind extrem ausgelutscht und wechseln schnell ihren Rang. Facebook war mal ganz vorn, ist inzwischen ziemlich out. Schnelle Medien wie TikTok und bildbezogene wie Instagram werden irgendwann durch andere kannibalisiert. Wichtig ist eigentlich nur, mindestens einen Kanal zu penetrieren, ihn also regelmäßig mit Informationen zu bedienen und damit Erfahrungen zu sammeln. Das wäre ein Instrument der Öffentlichkeitsarbeit.

Also: Es geht um den Aufbau einer starken Marke, die gezielt Produkte empfiehlt und dabei immer wieder öffentlich auf sich aufmerksam macht.

Was ist der größte Fehler, den ein*e Neu-Autor*in machen kann?

Der größte Fehler wäre, seinen Leser zu unterschätzen. Leser sind authentisch, intelligent, wissensdurstig, neugierig, kreativ, aufgeschlossen, farbenfroh und verfügen über viel Humor. Leser haben eine höchst unterschiedliche Erwartungshaltung und wollen in dieser bedient werden. Wenn das klappt, sind sie treu und werden zu Stammlesern und Fans.

Ein häufiger Fehler ist auch, das eigene Themengebiet vorher nicht exakt zu erforschen. Es zählt eigentlich zu den ersten Schritten einer Konzeption, ähnliche Produkte zu examinieren und damit auch mehr Gründe für die Notwendigkeit des eigenen Textes zu finden. Dies führt dann zur Herausbildung des USP, des unverwechselbar Besonderen eines Werkes. In meinem Ratgeber »Autor sucht Verleger« geht es um diesen Themenkomplex. Da erkläre ich auch, warum ein Autor im Kopf seines Lesers spazieren gehen muss.

Wie kann man sich als Autor*in verbessern?

Meine Antwort lautet: »Nulla dies sine linea« – »Kein Tag ohne Zeile«. Damit sei gesagt, welcher Bedeutung dem täglichen Rhythmus zukommt, jeden Tag zu schreiben. Auch wenn es nur ein Tagebucheintrag oder ein kleines Gedicht ist, Hauptsache: schreiben.

Dem Lesen kommt eine ähnliche Bedeutung zu. Je mehr ich bewusst lese, desto weiter wird mein sprachlicher Horizont. Ich lerne unterschiedliche Herangehensweisen kennen und spüre Fehler auf, die ich im eigenen Werk vermeiden möchte. Lesen bildet das Sprachgefühl ungemein.

Eine hervorragende Übung, die von allen Großen der Literaturgeschichte gepflegt wurde, ist das Verfassen von Rezensionen, also das Schreiben von Buchbesprechungen. Ich habe dafür mit Literaturzeitschrift.de ein Portal geschaffen, um mich in dieser Disziplin zu qualifizieren.

Wie können sich Autor*innen am besten vernetzen? Können Sie bestimmte Foren empfehlen?

Es gibt hunderte Foren und Gruppen auf Facebook, Telegramm, Signal, WhatsApp, XING, Linkedin und Clubhouse. Alle leiden darunter, dass sie als potentielle Buchkäufer missbraucht werden und sich genervt fühlen, wenn Newcomer immer wieder dieselben Fragen stellen, statt vorher die Gruppe zu durchsuchen.

Ich unterhalte überall Accounts und versuche, alles ohne Riesenaufwand auf Interessantes zu durchkämmen. Bei dieser Frage sollte jeder nach Bauchgefühl entscheiden, was ihm gut tut und nutzt.

Wie hat sich Ihrer Meinung nach die Buchlandschaft in den letzten Jahren geändert, wo geht’s in der Zukunft hin?

Wir leben im »Zeitalter der Implosion«, auch »elektronisches Zeitalter« genannt, das mit dem Web 2.0 begann. Der Buchmarkt wurde durch die technische Entwicklung von E-Books und die Einführung des Selfpublishing geöffnet. Dadurch kommen Unmengen Bücher auf den Markt, die es sonst so nicht geben würde. Gleichwohl sind die finanzstarken Unternehmen im Vorteil, weil sie durch intensive Publikumswerbung Werbung viel größere Sichtbarkeit erzeugen. Das macht es für den Leser verwirrender.

Das elektronische Zeitalter wird uns mit vollkommen neuen Formen des Lesens konfrontieren. Das, was wir derzeit E-Books nennen, ist nur der allererste Entwicklungsschritt. Das klassische Buch in seiner gebundenen Form löst sich auf; Texte agieren immer stärker mit Bildern, Klängen und Interaktionen. Lesen wird zum Gemeinschaftsprozess, bei dem der einzelne Leser nicht mehr im stillen Kämmerchen schmökert, sondern in Kontakt mit Menschen kommt, die ebenfalls das Buch lesen oder gelesen haben und mit ihnen kommuniziert. Der Leser wird das Geschehen in einem Roman künftig mitentscheiden.

Auch die Rolle des Autors wird sich in diesem Prozess stärker ändern, als es derzeit vorstellbar ist. Wir werden bald Hilfsmittel wie eine »Bestseller-Writing-App« in Händen halten, die das maßgeschneiderte Schreiben von Büchern, die unmittelbar auf die Bedürfnisse des Lesers abgestimmt sind, ermöglicht. Bereits heute schreiben Maschinen kürzere journalistische Texte, bald werden Roboter Prosa verfassen. Auf Autoren aus Fleisch und Blut warten damit vollkommen neue, bislang undenkbare Aufgaben und Herausforderungen.

Schließlich wird das Verhältnis von Leser und Lesestoff ein anderer: Wir werden inzwischen von den Büchern, die wir digital lesen, »beobachtet«: Die Lesegeschwindigkeit, die Häufigkeit des Umblätterns, das Unterstreichen (Markieren) von Textpassagen werden von den Readern und Apps aufgezeichnet, an die entsprechenden Plattformen übermittelt und dort ausgewertet. – Ja, wozu? – Diese Daten sind wertvoll, weil sie exakt messbare Aufschlüsse über das Leseverhalten geben, die wiederum in neue Buchprojekte eingearbeitet werden können.

Vor kurzem erschien im Kampenwand Verlag: »Wie Autoren ihre unbewussten Kräfte aktiv nutzen können«. Um welche Kräfte geht es speziell? Erzählen Sie uns gerne mehr davon.

»Der Mensch« ist laut Nietzsche »ein Wesen, auf dem Rücken eines Tigers in Träumen hängend«. Mit Hilfe der richtigen Schlüssel kann er sein Bewusstseinszimmer verlassen und in Abgründe hinabsteigen, um die Feuer des Unbewussten zu suchen. Unter der Oberfläche seines Wachbewusstseins kann er fündig werden und verborgene Dimensionen erschließen.

Mein Ratgeber für kreative Köpfe motiviert Autoren, bewusst zu sich selbst zu finden, Ängste abzubauen und innere Schranken zu öffnen. Er hilft, unbewusste Kräfte aktiv zu nutzen und damit bessere Texte zu schreiben. Ich schildere, wie man innere Schranken überwindet, Können zu Kunst veredelt und im Kopf der potentiellen Leser spazieren geht, um den Zuhörer zu packen.

Schreiben und Veröffentlichung ist letztlich auch eine Angelegenheit des inneren Menschen. Dabei gilt aus meiner Erfahrung: Selbstbewusstsein entscheidet letztlich alles!

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